Das norwegische Außenministerium möchte diese Möglichkeit nutzen, um zwei Aspekte der Geschlechtergleichstellung zu unterstreichen: 1) Die Bedeutung der Geschlechtergleichstellung für die Wohlfahrt und die Wirtschaft eines Landes und 2) die Wichtigkeit der Beteiligung von Frauen in Friedens- und Versöhnungsprozessen, sowohl für die Demokratisierung als auch für die Entwicklung eines Landes.
100-jähriges Jubiläum des Frauenwahlrechts
Am 11. Juni 2013 ist es 100 Jahre her, dass norwegische Frauen das Wahlrecht gewannen und Norwegen so eine wahre Demokratie wurde, in der Frauen und Männer die gleichen Rechte genießen konnten. Norwegen war der erste souveräne Staat der Welt, der ein allgemeines Wahlrecht einführte.
Der Kampf um das Frauenwahlrecht
Der Kampf um das Wahlrecht für Frauen begann in den 1880er-Jahren. Die Frauen und ihre Unterstützer im Storting (dem norwegischen Parlament) mussten gegen Vorstellungen von der angeblichen Natur der Frauen und gegen Ängste vor der Auflösung der Familie ankämpfen. Auch die Anhänger des Frauenwahlrechts beschäftigten sich mit den Unterschieden zwischen den Geschlechtern. Wo aber die Gegner fürchteten, die Frauen würden ihre Familien vernachlässigen, sahen die Vorkämpfer für das Frauenwahlrecht gerade in deren „Mütterlichkeit“ einen wichtigen Beitrag für die Politik.
1886 wurde der erste Vorschlag des Wahlrechtes für Frauen im Storting eingereicht. 1890 debattierte das Storting diesen Vorschlag. Frauen sollten dasselbe Stimmrecht erhalten wie Männer, deren Rechte zu diesem Zeitpunkt ebenfalls noch eingeschränkt waren. Damals wurde der Vorschlag mit 70 zu 44 Stimmen abgelehnt.
Gefahr für traditionelles Familienleben
Die Gegner des Frauenwahlrechts behaupteten, es sei unnatürlich für Frauen, sich an der Politik zu beteiligen. Ein Wahlrecht für Frauen werde zur Auflösung von Heim und Familie führen. Sie waren der Meinung, dass „unsere Frauen vor einem der härtesten gesellschaftlichen Konflikte geschützt werden sollten“. Sich an der Politik zu beteiligen, war die Last der Männer: „Diese Last wollen wir nicht den Frauen aufbürden“. Die Gegner verwiesen auch auf die Bibel, der zufolge Frauen dem öffentlichen Leben ferngehalten werden sollten. Der stärkste Angriff auf das Frauenwahlrecht kam 1890 von einem stellvertretenden Parlamentarier, von Bischof J. C. Heuch: „Sie kann nicht die Arbeit des Mannes tun, und sie will nicht die Arbeit der Frauen machen, was soll sie dann werden? Sie wird ein deformiertes Monstrum, ein Neutrum“, argumentierte er in der Debatte.
Die „mütterliche“ Natur der Frauen – ein wichtiger Beitrag für die Politik
Auch die Feministinnen und ihre Anhänger im Storting sahen die Natur der Frau – und somit deren Potenzial zur Beteiligung an der Steuerung der Gesellschaft – als grundsätzlich verschieden von der des Mannes. Während Gegner des Frauenwahlrechts fürchteten, Frauen würden ihre Rolle in der Familie vernachlässigen, sahen die Verteidiger des Frauenwahlrechts die „Mütterlichkeit“ der Frau als einen wichtigen Beitrag für die Politik, besonders in sozialen Fragen. Für die Feministin und Aktivistin Gina Krog war genau diese Andersartigkeit der Frau „ein Grund mehr, ihr politische Rechte zu geben“. Auch die Unterstützer des Frauenwahlrechts im Storting waren davon überzeugt, dass einige gesellschaftliche Fragen einfacher gelöst werden würden, wenn Frauen sich am öffentlichen Leben beteiligen könnten. Es war nicht die Ähnlichkeit zwischen Frauen und Männern, sondern die Differenz, die ihr Eintreten in die Politik notwendig machte. Das Wahlrecht für Frauen werde „dem Vaterland zugutekommen“, das weitere Ausschließen der Frauen aus der Politik hingegen würde „der Entwicklung des Landes schaden“.
Menschenrechte
Menschenrechtsprinzipien waren in der Debatte ebenfalls ein wichtiger Aspekt. Für die engagiertesten Vorkämpfer des Frauenwahlrechts handelte es sich um nichts weniger als um „Frauen als menschliche Individuen und das Recht der Frauen zur freien persönlichen Entfaltung“, wie die Feministin Gina Krog es ausdrückte, als der Kampf für das Frauenwahlrecht 1885 ernst wurde. Auch im Storting wurde argumentiert, dass es mit der Forderung nach einer Reform des Wahlrechts um den Wert der Frauen als Menschen gehe. Die Einführung des Frauenwahlrechts sei sowohl eine „Sache der Gerechtigkeit“ als auch eine Entscheidung „zugunsten der ganzen Gesellschaft“, meinte Stortingsrepräsentant Viggo Ullman.
Als das allgemeine Wahlrecht für Männer 1898 eingeführt wurde, betrachteten viele es als sehr ungerecht, dass Frauen noch immer nicht die Möglichkeit hatten zu wählen. Immer mehr Vorschläge, das Wahlrecht für alle Frauen einzuführen, nicht nur für diejenigen mit einem gewissen Vermögen und Einkommen, wie es bis dahin für Männer gegolten hatte, wurden eingereicht. Im Laufe der Zeit, als die Idee des Frauenwahlrechts unter den Mitgliedern des Stortings reifte, argumentierten viele Befürworter für eine schrittweise Ausweitung des Wahlrechts, und dieses Verfahren erwies sich schließlich als erfolgreich. 1901 bekamen Frauen ein begrenztes Wahlrecht bei lokalen Wahlen. Ein begrenztes Wahlrecht für Frauen bei den Parlamentswahlen wurde 1907 eingeführt, gefolgt vom vollen Wahlrecht bei lokalen Wahlen 1910 und endlich, bei der Stortingswahl 1913, dem allgemeinen Wahlrecht.
Norwegen an vorderster Front
Im globalen Vergleich stand Norwegen in dieser Hinsicht an vorderster Front. Zwar haben drei Staaten das allgemeine Wahlrecht noch früher eingeführt – Neuseeland 1893, Australien 1902 und Finnland 1906 – aber diese Länder waren nicht unabhängig und Frauen konnten nicht in politische Positionen gewählt werden. Norwegen war der erste souveräne Staat der Welt, der ein allgemeines Wahlrecht für Männer und Frauen einführte. Sobald Frauen das Wahlrecht erlangt hatten, war das Fundament gelegt, dass sie auch, gleichberechtigt wie die Männer, demokratische Ämter bekleiden konnten. Ein Kampf, den Frauen und Männer seit der französischen Revolution und der Aufklärungszeit gekämpft hatten, war endlich gewonnen.
Quelle: Stemmerettsjubileet, Norwaystories.
Weitere Informationen zum Jubiläum finden Sie hier (English).