Existenzgrundlagen an der Küste und das Management natürlicher Ressourcen: Seit frühester Zeit waren Walfang und Robbenjagd eine der Hauptgrundlagen für die Besiedlung entlang der norwegischen Küste.
22.04.2004 :: Nach einer fünfjährigen Unterbrechung zum Zwecke der sorgfältigen Untersuchung der Bestände entschied die norwegische Regierung im Jahr 1993, dass der Fang von Zwergwalen in Norwegen wieder aufgenommen werden sollte. Diese Entscheidung beruhte auf der Arbeit des Wissenschaftlichen Komitees der Internationalen Walfangkommission (International Whaling Commission/IWC). Im Jahr 2004 werden die von Norwegen bewirtschafteten Bestände des Nordost-Atlantiks und des Zentralatlantiks auf 107.000 bzw. 72.000 Tiere geschätzt. Diese Bestände sind groß genug, um die intakte Grundlage für eine umweltverträgliche Nutzung zu gewährleisten.
Die Zwergwalfänger sind Fischer, die sich in den Sommermonaten, in denen die Zeit für den Fischfang ungünstig ist, dem Walfang zuwenden. Ein Walfangschiff ist ein normales kleines Fischerboot, das 50 bis 80 Fuß Länge misst und für den Walfang speziell ausgerüstet wird. Die Boote werden in der Regel als Familienunternehmen geführt, die Besatzung umfasst drei bis acht Personen, inklusive des Besitzers.
Das Fleisch von Zwergwalen wird für die menschliche Ernährung genutzt. Es gibt eine lange Tradition des Verzehrs von Walfleisch in Norwegen, und sowohl das Fleisch als auch der Speck von Walen sind Bestandteile traditioneller Ernährungsweisen auch in anderen Teilen der Welt.
Der Zwergwal ist der kleinste der Bartenwale, und der Fang von Zwergwalen unterscheidet sich grundsätzlich vom industriellen, kapitalintensiven Walfang früherer Jahre, der auf die großen Walarten zielte, und wobei der Walspeck das wichtigste Produkt war. Diese Form des Walfangs ist heute Geschichte.
Norwegen ist es gelungen, eine dezentrale Siedlungsstruktur zu erhalten, bei der viele kleine Gemeinden entlang der Küste verstreut sind. Dies ist das Ergebnis einer wohl überlegten Politik, die breite Unterstützung findet. Der Fischfang, die Robbenjagd und der Walfang gehören zu den Hauptbestandteilen der Existenzgrundlage der Küstenbevölkerung, insbesondere in den nördlichsten Teilen des Landes. Wenn diese Küstengemeinden eine Zukunft haben sollen, so sind sie abhängig von der Akzeptanz ihres althergebrachten Rechts auf Nutzung der lebenden, erneuerbaren Ressourcen des Meeres. Gleichzeitig müssen diese Ressourcen vor Überfischung und Umweltverschmutzung geschützt werden.
Eine „grüne“ Industrie
Die Verwendung ausgewählter Anlagen für den Fang von Meeresfischen und Säugetieren ist heutzutage vielleicht die umweltschonendste Art der Produktion von Nahrung für den menschlichen Verzehr: Die Umwelt bleibt unbeeinflusst, der Energieverbrauch ist im Verhältnis zum Ertrag gering, und es gibt keine Belastung durch Düngemittel, Pestizide oder andere Chemikalien. Jede Bewirtschaftung muss natürlich innerhalb vernünftiger Grenzen verlaufen, so dass die Bestände nicht ausgerottet werden. Der Zwergwal ist in den norwegischen Gewässern eine ungefährdete Art. Die norwegischen Behörden haben eine weit zurückreichende Erfahrung beim Management der Meeresressourcen und verfolgen nunmehr eine restriktive Ressourcenpolitik mit dem Schwerpunkt auf Sicherung der Tierbestände.
Forschung
Mitte der 1980er Jahre gab es große Unsicherheit hinsichtlich der Größe der Zwergwalbestände im Nordost-Atlantik. Um den Wissensstand hinsichtlich der Bestände zu vergrößern, initierten die norwegischen Behörden ein Forschungsprogramm, das über einen Zeitraum von drei Jahren die kontrollierte Sichtung von Zwergwalen einschloss. Seit Beginn des Jahres 1989 wurden diese Sichtungserfassungen in ein ausgedehntes Fünf-Jahres-Forschungsprogramm über Robben und Wale miteinbezogen. Dies war darauf ausgerichtet, Informationen über die Rolle der verschiedenen Bestände im Ökosystem des Meeres zu beschaffen, sowie Informationen über die Bestände selbst.
Die Ergebnisse des ersten Forschungsprogramms wurden dem Wissenschaftlichen Komitee der IWC im Jahr 1990 vorgelegt. Das Komitee nahm die beigebrachten Ergebnisse und Daten entgegen, forderte jedoch zusätzliche Untersuchungen und Schätzungen. Diese wurden 1991 und 1992 vorgelegt und zur Sprache gebracht. Im Sommer 1995 wurden neue Sichtungserfassungen durchgeführt. Diese waren sehr viel ausgedehnter und gründlicher als die früheren Beobachtungen. Auf der Grundlage der Beobachtungen des Jahres 1995 kam das Wissenschaftliche Komitee zu dem Schluss, dass der Zwergwalbestand im Nordost-Atlantik mit größter Wahrscheinlichkeit auf 112.000 Tiere zu beziffern wäre. Die North Atlantic Marine Mammal Commission (NAMMCO) schätzt die Bestände des Zentralatlantiks auf ca. 72.000 Tiere.
Norwegen in der IWC
Im Jahr 1982 verabschiedete die IWC ein Moratorium zu jedwedem kommerziellen Walfang, welches 1986 in Kraft trat. Norwegen behielt sich formell eine eigene Position zum IWC-Moratorium vor, führte aber dessen ungeachtet ein ab 1987 geltendes vorübergehendes Verbot der Bewirtschaftung von Zwergwalen ein, und machte dessen weitere Handhabung von verlässlicheren Informationen über die Größe der Bestände abhängig.
Das Moratorium schloss eine Klausel ein, die besagte, dass „spätestens 1990 die Kommission eine umfassende Erhebung bezüglich der Auswirkungen dieser Entscheidung auf die Walbestände durchführt und Veränderungen dieser Maßnahme [des Moratoriums] und die Festsetzung anderer Fanggrenzen erwägt.“ Dies bedeutete, dass neue, verlässlichere Erhebungen über die Bestände, aus denen die Fänge entnommen werden können, sowie ein überarbeitetes Verfahren für deren Management bis zu diesem Zeitpunkt vorliegen sollten. Das Wissenschaftliche Komitee entsprach diesen beiden Forderungen, die Kommission hat sich aber dennoch auf ihren jährlichen Treffen seit 1990 nicht bereit gezeigt, das Moratorium und die Fangquoten neu zu beurteilen. Stattdessen hat die Kommission neue Bedingungen festgelegt, die erfüllt werden müssen, bevor über Fangquoten diskutiert werden kann.
Dies konnte nur als Verzögerungstaktik ausgelegt werden und war die Grundlage für die einseitige Entscheidung der norwegischen Regierung, den Walfang im Jahr 1993 wieder aufzunehmen. Norwegen legt auf der Grundlage des durch das Wissenschaftliche Komitee verabschiedeten sog. Überarbeiteten Bewirtschaftungsverfahrens (Revised Management Procedure/RMP) eine jährliche Fangquote für Zwergwale fest. Die Quote liegt im Jahr 2004 bei 670 Tieren.
Norwegens legales Recht, Zwergwale zu fangen, steht nicht in Frage, da sich Norwegen formell eine eigene Position zum IWC-Moratorium vorbehalten hat, als dieses verabschiedet wurde. Dieser Vorbehalt wurde gemäß Artikel V des Internationalen Übereinkommens zur Regelung des Walfangs eingebracht, also der Vereinbarung, auf der das Entstehen und die Arbeit der IWC beruht.
Die ausdrückliche Zielsetzung des Übereinkommens ist es, dass „die Erhöhung der Anzahl der Wale, die gefangen werden können, ohne diese natürliche Ressource zu gefährden“, gewährleistet wird. Darüber hinaus hat das Übereinkommen festgelegt, dass der Bewirtschaftungsgrad „wissenschaftlich abgestützt“ sein soll, „die Erhaltung, Vermehrung und optimale Nutzung der Walbestände“ sicher gestellt wird und „die Interessen der Verbraucher von Walprodukten berücksichtigt werden“. Anders ausgedrückt liegt die Zielsetzung des Übereinkommens nicht auf dem Schutz der Wale um ihrer selbst willen, sondern darauf, den Walfang zum Nutzen der Menschheit jetzt und in der Zukunft zu regeln. Die Position von Mitgliedsländern der IWC, die dem Walfang prinzipiell ablehnend gegenüberstehen, steht somit eigentlich im Widerspruch zur Zielsetzung der Kommission.
Umweltschutz und Management natürlicher Ressourcen
Norwegen spielt eine aktive Rolle in den Bemühungen um die Gestaltung einer internationalen Umweltpolitik für die Zukunft. Ein zentrales Element dieser Politik muss die Zusammenarbeit hinsichtlich des Schutzes und des vernünftigen Managements erneuerbarer natürlicher Ressourcen und ihrer Umgebungen sein. Die Entscheidung der norwegischen Regierung, den traditionellen Fang von Zwergwalen wiederaufzunehmen, ist daher nicht unvereinbar mit ihrem Bestreben, einen positiven Beitrag zum Schutz der globalen Umwelt zu leisten.
Einige Prinzipien spielen eine zentrale Rolle im Management erneuerbarer Ressourcen:
- Nachhaltigkeit – um die Dezimierung der Bestände zu verhindern, dürfen wir nur deren Überschüsse bewirtschaften;
- Artenvielfalt – um eine globale Artenvielfalt zu erhalten, müssen alle Arten vor Ausrottung und Dezimierung geschützt werden;
- Integration – alle zu einem Ökosystem gehörenden Arten sind in ein komplexes Netz von Interaktionen innerhalb des Systems integriert und sollten daher als eine Gesamtheit behandelt werden;
- Das Recht auf Verwertung natürlicher Ressourcen – die Nationen und die lokalen Bevölkerungen haben ein Anrecht auf die Verwertung der ihnen natürlicherweise zugänglichen Naturressourcen innerhalb des Rahmens der oben aufgeführten Prinzipien.
Wir können diesen Prinzipien nur nachkommen, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt werden:
- das Management der natürlichen Ressourcen muss auf wissenschaftlicher Beratung beruhen und auf bestmögliche Kenntnisse gestützt sein;
- alle Entscheidungen müssen auf dem Prinzip der Vorsorge begründet sein; das heißt: jede Unsicherheit hinsichtlich biologischer Daten muss zu einer umsichtigen Bewirtschaftung führen, und jede Verwertung muss einen Sicherheitsspielraum aufweisen;
- jede Form von Bewirtschaftung muss in der Folge einer Kontrolle unterliegen;
- für die Sicherung der Einhaltung regulativer Entscheidungen müssen effektive Kontrollsysteme eingerichtet werden.
Die Zielsetzung der IWC ist es, den Walfang in Übereinstimmung mit den Prinzipien einer nachhaltigen Nutzung zu regeln. Norwegens Mitgliedschaft in der IWC begründet sich ebenfalls auf diesen Prinzipien. Norwegen hat bei der Entwicklung eines neuen, verlässlicheren Management-Verfahrens eine wichtige Rolle übernommen und hat umfassende Forschung für den Erhalt erforderlicher Daten hinsichtlich des Bestands der Zwergwale im Nordost-Atlantik durchgeführt.
Unter der Voraussetzung, dass die Sicherung der Nachhaltigkeit geregelt ist, ist der Fang von Zwergwalen eine umweltschonende Form der Nahrungsproduktion. Die Forderung eines Moratoriums im Hinblick auf jedweden Walfang verschleiert in Wirklichkeit die eigentlichen Umweltprobleme, denen sich die Welt ausgesetzt sieht.
Der Zwergwal – eine von vielen Walarten
Zusammen genommen gibt es ungefähr 75 bis 80 Walarten. Der Zwergwal (Balaenoptera acutorostrata) ist der kleinste der Bartenwale und kommt in allen Weltmeeren vor. Der Zwergwal kann eine Länge von 10 Metern erreichen und gebiert ungefähr ein Kalb pro Jahr. Er ernährt sich sowohl von Plankton als von Fisch. Die IWC schätzt, dass es allein in den antarktischen Gewässern mindestens 750.000 Tiere gibt. Zwergwale sind auch im Nordatlantik reichlich vorhanden – dort findet die norwegische Jagd statt. Die letzten Schätzungen (2004) beziffern den Bestand im Zentralatlantik auf 72.000 Tiere und im Nordost-Atlantik auf 107.000 Tiere. Im Frühjahr ziehen die Zwergwale nordwärts an der norwegischen Küste entlang zur Barentzsee und zum Arktischen Ozean, wo sie sich von den reichhaltigen Fisch- und Planktonvorkommen ernähren, bis sie im Herbst wieder nach Süden zurückkehren. Zwergwale können während des Winters entlang der norwegischen Küste beobachtet werden.
Die Waljagd und die Tötungsmethoden
In Norwegen werden die Zwergwale in der Regel entweder von einem Boot aus gejagt, das ruhig im Wasser steht, und dessen Besatzung darauf wartet, dass der Wal in Schussweite gerät. Oder der Walfang geschieht von einem Boot aus, das vorsichtig zu einer Stelle gelenkt wird, von der man annimmt, dass der Wal hier beim nächsten Mal auftaucht. Wenn sich der Wal fortbewegt, folgt ihm das Boot langsam. Zwergwale haben keinen besonders charakteristischen Luftausstoß, und man benötigt ein geschultes Auge, um die Tiere zu entdecken.
Die Methoden, die zur Tötung der Zwergwale angewendet werden, wurden kritisiert. Ein großer Teil der Arbeit wurde von der IWC und anderen beigesteuert, um die Walfangmethoden zu verbessern und sicher zu stellen, dass die Tiere so schnell wie möglich getötet werden. Norwegen hat bei diesen Bemühungen immer eine führende Rolle eingenommen. Die Tötungsmethoden bei der Jagd auf Zwergwale sind nunmehr im Hinblick auf die Schnelligkeit der Tötung und in Bezug auf die Wale, die lediglich verletzt werden, so gut wie oder noch besser als bei jeder anderen Form von Großwildjagd.
Studien besagen, dass die meisten Tiere das Bewusstsein verlieren oder unmittelbar oder sehr schnell sterben. Eine Untersuchung aus dem Jahr 1999 zeigte, dass 72 Prozent der Tiere unmittelbar starben. Anders ausgedrückt hörten sie auf, sich zu bewegen und sanken hinab. Jedoch ist Bewegungslosigkeit ein schlechtes Kriterium, um den Augenblick des Todes festzustellen. Daher wurden Forschungen durchgeführt, um bessere Kriterien für die Feststellung des Todesmoments mit größerer Sicherheit festzulegen. Die hierbei gewonnenen Ergebnisse deuten darauf hin, dass 80 Prozent der Tiere das Bewusstsein verlieren oder unmittelbar sterben. Ungefähr die Hälfte der restlichen 20 Prozent verlieren sofort das Bewusstsein und leiden somit nicht. Jedoch überleben ungefähr 10 Prozent der Tiere den ersten Treffer und müssen mit einem weiteren Schuss oder einem Kopfschuss mittels eines Gewehrs getötet werden. Es werden Anstrengungen unternommen, diesen Prozentsatz zu verringern.
Diese Situation ist eine deutliche Verbesserung gegenüber den Tagen, in denen blanke Harpunen verwendet wurden und weniger als 20 Prozent der Tiere auf schnelle Art getötet wurden. Die Verwendung von Granatharpunen wurde 1984 obligatorisch. Mittlerweile wurde eine neue und verbesserte Granatharpune entwickelt, welche seit dem Jahr 2000 verwendet wird.
Bevor die Jagdsaison beginnt, müssen jedes Jahr alle Schützen einen Lehrgang für das Schießen und Töten absolvieren. Zusätzlich müssen alle Schützen eine Schießprüfung mit Harpune und Gewehr ablegen. Jedes Walfangschiff hat während der Jagd einen Inspekteur an Bord. Die Inspekteure leiten ihre Berichte direkt an die Fischereibehörden.
Die heute von den norwegischen Walfängern zur Tötung von Zwergwalen angewandten Methoden sind wahrscheinlich die strengstens überwachten und best erfassten Methoden, die weltweit bei der Großwildjagd Anwendung finden. Die beim norwegischen Walfang benutzten Methoden schneiden im Vergleich zu solchen, die für das Vieh in den Schlachthöfen angewandt werden, positiver ab.
Eine kurze Geschichte der Zwergwaljagd
Die Jagd auf Zwergwale wurde entlang der norwegischen Küste seit Jahrhunderten durchgeführt. Der Walfang wurde bereits im 9. Jahrhundert in Schriftquellen erwähnt und die Zwergwaljagd mit Harpunen war in den 1200er Jahren weit verbreitet. Die Motorisierung der Fischereiflotte in den 1920er Jahren führte zur Entwicklung der modernen Form der Zwergwaljagd. Die Fischerboote wurden mit Harpunengeschützen im Bug ausgestattet, und die Geräte für das Einholen und Flensen der Wale wurden allmählich entwickelt. Das Fleisch und der Speck wurden im Frachtraum auf Eis gelagert.
Die Erfordernis von Lizenzvergaben wurde 1938 eingeführt. Dem folgten weitere Auflagen in den 1950er Jahren, wie zum Beispiel die Begrenzung der Höchstmenge gefangener Tiere pro Boot, sowie eine Forderung an die Lizenznehmer Fischer, Bootsbesitzer und Jäger in einer Person zu sein. Im Jahr 1976 wurden jährliche Fangquoten eingeführt.