In den 90er Jahren kehrten die norwegischen Architekten zu den modernistischen Wurzeln zurück. Sowohl Privathäuser als auch Bürogebäude erhielten weitflächige, glatte Fassaden, und die klaren geometrischen Formen erinnern an den Funktionalismus der 30er Jahre. Das bekannteste Beispiel ist der mit einem Preis ausgezeichnete Hauptsitz des Norwegischen Direktorats für Messtechnik und Akkreditierung in Kjeller (1997), das von Kristin Jarmund gestaltet wurde.
Zeitgenössische Architekten verbinden oft verschiedene stilistische Ansätze, um ein verfeinertes und vielfältiges Aussehen zu schaffen. Kari Nissen Brodtkorbs Gebäude Stranden ist typisch für solch eine Verbindung. Es steht am äußeren Ende der Osloer Aker Bryggen, einem ehemaligen Industriekai, der zu einem Gebiet mit Läden, Büros und Wohnungen umgewandelt wurde. Ein angrenzendes Trockendock gibt dem Objekt eine dreieckige Form, auf zwei Seiten von Wasser umgeben. Das Gebäude selbst erinnert an den Bug eines Schiffes, ein Eindruck, der durch das gewölbte Dach noch verstärkt wird. Seine schwarz gestrichenen stählernen Grundkonstruktion und die dicken Ziegelwände erinnern jedoch an ein englisches Lagerhaus. Die Architektin hat ein beziehungsreiches und beliebtes Gebäude geschaffen.
Ein anderes Beispiel für diese Art der vermischten Architektur ist die Bibliothek von Tønsberg (1992) von Ivar Lunde und Morten Løvseth. Es handelt sich um ein modernes Gebäde mit weitflächigen Glasfassaden, das den Besucher zum Eintritt einlädt. Es ist jedoch kein purer Glaswürfel, und die Struktur ist eine komplexe und assoziationsreiche Komposition. Die ausgeprägte Verwendung von geschwungenen Formen verweist auf die Rundkirche in den nahegelegenen Ruinen eines mittelalterlichen Klosters.
Im Jahr 1989 gewann die kleine norwegische Architektenfirma Snøhetta den historischen Wettbewerb um die Gestaltung der neuen Bibliothek von Alexandria. Dies war der wichtigste internationale Wettbewerb, der je von einer norwegischen Firma gewonnen wurde. Die Bibliothek wurde 2001 fertig gestellt und von internationalen Architekturmagazinen als Sehenswürdigkeit begeistert aufgenommen. Danach verfestigte Snøhetta seine globale Marktposition mit dem Sieg im Wettbewerb um die Gestaltung des neuen Osloer Opernhauses und des Turner-Zentrums in Margate/England.
Snøhettas Durchbruch in den 90er Jahren war Teil eines größeren Phänomens, bei dem die Welt von norwegischen Architekten Notiz nahm. Führende internationale Magazine veröffentlichten Sonderausgaben, die der zeitgenössischen norwegischen Architektur gewidmet waren. Kjell Lund und Nils Slaatto wurden zu Ehrendozenten am Amerikanischen Architekturinstitut ernannt, Niels Torp fand internationale Anerkennung mit der Gestaltung des Hauptsitzes der skandinavischen Fluglinie SAS in Stockholm, und Sverre Fehn wurde der Pritzker Architekturpreis verliehen, und er nimmt somit seinen Platz unter den bedeutendsten Architekten seiner Generation ein.
Nr. 12 aus 2004 von der japanischen Zeitschrift Architecture + Urabanism hatte „ Norway: Fehn and His Contemorary Legacies“ zum Thema.
Norwegisches Museum für Architektur