Der bekannteste zeitgenössische „Entdecker“ Norwegens, Thor Heyerdahl, hat die Kulturen unserer frühesten Vorväter erforscht. Sein Bestreben war es, mehr über die historische Landschaft in Erfahrung zu bringen, und weniger über die geographische.
Heyerdahl wurde 1914 in der kleinen Stadt Larvik, an der norwegischen Südküste, geboren. Auf der Grundlage mühsamer Untersuchungen ethnographischen und archäologischen Materials aus Polynesien, dem amerikanischen Kontinent und Südost-Asien, stellte Heyerdahl die Theorie auf, dass Polynesien nicht - wie ursprünglich angenommen – von Südost-Asien aus bevölkert wurde, sondern von Amerika aus.
Seine Hypothese wurde kühl aufgenommen, und so entschied sich Heyerdahl persönlich, die Wahrheit seiner angenommen Behauptung zu beweisen. Das Gefährt, dass er für seine Reise anfertigte, war ein Floß aus Balsaholz, eine exakte Kopie der indianischen Floße, wie sie seit prähistorischen Zeiten in Süd-Amerika gebaut wurden. 1947 startete Heyerdahl mit einer sechsköpfigen Mannschaft von Callao in Peru, und segelte auf der heute weltbekannten Kon-Tiki zu den polynesischen Tuamoto-Inseln.
Die gefährliche, dreimonatige Reise war nicht nur ein gewagtes Unternehmen, sondern auch eine wissenschaftliche Leistung. Das Buch, dass Heyerdahl nach der Expedition schrieb, „American Indians in the Pacific“, stützte seine Theorien mit umfangreichem Material und verlieh seinen Behauptungen Glaubwürdigkeit. In seinem Buch behauptete Heyerdahl, dass die ersten Siedler in Polynesien um das Jahr 500 von Peru aus gekommen waren, und dass eine weitere Siedlungswelle von der nordwestlichen Küste Nord-Amerikas in der Zeit zwischen 1000 und 1300 gekommen war.
Um seine Theorien zu stützen, leitete Heyerdahl 1953 eine norwegische archäologische Expedition auf die Galapagos-Inseln. Die Expedition fand Beweise für Heyerdahls Theorien, nämlich in der Form von Antiquitäten indianisch-amerikanischen Ursprungs aus der Inka- und Vor-Inkazeit, die ersten Funde dieser Art überhaupt.
Drei Jahre später, zwischen 1955 und 1956, leitete Heyerdahl eine 25-köpfige Expedition zur Osterinsel, um umfangreiche Grabungen durchzuführen. Die Funde auf der Osterinsel erbrachten Beweise für die Existenz dreier ausgeprägter Kulturepochen, von denen die zweite die bekannten Steinstatuen hervorgebracht hatte. Bei Ausgrabungen wurden auch ältere Statuen entdeckt, die einigen Funden in Bolivien sehr ähnlich waren. Heyerdahls Ansichten hinsichtlich der Siedlungsgeschichte Polynesiens und des antiken kulturellen Transfers in diesem Gebiet bleiben faszinierend, sind jedoch in anthropologischen Kreisen häufig stark umstritten.
Heyerdahl kehrte zum ozeanischen Element zurück, als er 1969 die erste Ra-Expedition leitete, deren Zielsetzung der der Kon-Tiki-Expedition sehr ähnelte. In einem Versuch den Atlantik zu überqueren, verließ die Expedition das marokkanische Safi in dem aus Schilfrohr gefertigten Boot Ra, benannt nach dem ägyptischen Sonnengott, und bewies damit, dass die altägyptischen Papyrusboote in der Lage gewesen waren, den Atlantik zu überqueren.
Nach einer Fahrt von 5.000 Kilometern, zerbrach die Ra jedoch aufgrund eines Konstruktionsfehlers. Die Reise musste abgebrochen werden. Die Expedition mit der Ra II, eine Wiederholung nach einem Jahr, war ein Erfolg und erreichte nach einer zweimonatigen und 6.100 Kilometer langen Reise Barbados. Die Ra II bewies, dass derartige Boote in prähistorischer Zeit über die Kanarischen Inseln hinweg den Atlantik überquert haben könnten.
1977 unternahm Heyerdahl eine weitere Reise mit einem Schilfboot, auch diesmal um die Ozeanrouten der Antike zu untersuchen. Der Zweck der Tigris-Expedition war es, die Handelsrouten auf dem Meer und die kulturellen Kontakte zu beleuchten, die ca. 3000 v. Chr. zwischen den Sumerern in Mesopotamien und einer Reihe anderer Kulturzentren im Mittleren Osten, Nordost-Afrika und dem heutigen Pakistan bestanden.
Nach der Tigris-Expedition nahm Heyerdahl an Forschungen über die Frühgeschichte der Malediven im Indischen Ozean teil. Darüber hinaus entdeckte er auf der kanarischen Insel Teneriffa eine auf die Sonne ausgerichtete Pyramide aus der Zeit der Guanchen, der Urbevölkerung der Kanarischen Inseln. Heyerdahl leitete auch umfangreiche Grabungen auf dem Gebiet von Tucume in Peru, wo 26 Anden-Pyramiden freigelegt wurden.
Heyerdahl starb am 18. April 2002 im Alter von 87 Jahren.
Von Linn Ryne