Die Wildente
Entstehung
Die ersten Pläne zu 'Die Wildente' stammen aus dem Winter 1882/83. Die Arbeit an einem ersten Entwurf zu dem Stück wurde allerdings nicht vor dem 20. April 1884 begonnen. Es sind eine Reihe von Aufzeichnungen aus verschiedenen Phasen des Entstehungsprozesses erhalten. In einer davon schreibt Ibsen:
"Das Gleichnis von den Wildenten: Wenn sie angeschossen sind, gehen sie herunter, die streitbaren Teufel, beißen sich fest -. Aber hat man einen guten Hund und dazu in seichtem Wasser, dann -
Hedvig als Wildente -
Gregers` Erfahrungen von den ersten und tiefsten Schmerzen des Kindes. Es ist kein Liebeskummer, nein, es ist Familienschmerz - die Qual der häuslichen Verhältnisse - "
"Das Gleichnis von den Wildenten" verweist unzweifelhaft auf Welhavens Gedicht "Der Seevogel", eine wichtige Quelle der Inspiration für das Stück.
Am 20. April 1884 begann Ibsen den ersten Entwurf zum ersten Akt von 'Die Wildente'. Für diesen Akt brauchte er acht Tage. Der zweite Akt wurde am 2. Mai begonnen, aber halbfertig abgebrochen. Der erste und der zweite Akt wurden sodann in neuer Gestalt bis zum 24. Mai niedergeschrieben. Der dritte und der vierte Akt wurden im Zeitraum vom 25. Mai bis zum 8. Juni geschrieben, während der fünfte Akt zwischen dem 9. und dem 13. Juni entstand. Am Tag darauf schrieb Ibsen an seinen dänischen Verleger Frederik Hegel:
"Hiermit habe ich das Vergnügen, Ihnen mitzuteilen, daß ich gestern das Konzept zu meinem neuen Schauspiel abgeschlossen habe. Das Stück besteht aus fünf Akten, und wird nach meiner Berechnung ungefähr 200 Druckseiten umfassen, vielleicht mehr.
Nun bleibt also die Reinschrift, mit der ich schon morgen beginne. Wie gewöhnlich geht es jedoch nicht um eine reine Abschrift des Konzepts, eher um eine Neuschrift der Dialoge. Es wird also einige Zeit dauern, aber ich rechne damit, daß das ganze Manuskript sich vor Mitte September in Ihren Händen befindet, sofern kein unvorhergesehenes Hindernis eintrifft.
Dieses Stück handelt nicht von politischen, sozialen oder überhaupt öffentlichen Angelegenheiten. Es bewegt sich ganz und gar auf dem Gebiet des Familienlebens. Diskussionen wird es sicher hervorrufen können, aber es wird keinen Anstoß erregen."
Ende Juni reiste Ibsen von Rom nach Gossensaß, wo er die folgenden vier Monate verbrachte. Den Großteil dieser Zeit war er allein dort, während Suzannah und Sigurd sich in Norwegen aufhielten.
Er begann mehrmal mit der Reinschrift, mindestens drei Mal, aber im Laufe des Monats Juli erhielten der erste, der zweite und der dritte Akt ihre endgültige Form. Am 17. August war der vierte Akt fertiggestellt, während der fünfte und letzte Akt am 30. August vollendet wurde. Am 2. September 1884 schickte er das Manuskript in Reinschrift an Hegel und schrieb:
"Anliegend schicke ich Ihnen das Manuskript meines neuen Schauspiels «Die Wildente», das mich in den vergangenen vier Monaten täglich beschäftigt hat und von dem ich mich nun nicht ohne ein gewisses Gefühl der Leere trennen muß. Trotz ihrer vielfachen Gebrechen sind die Menschen in diesem Stück mir durch den täglichen Umg ang lieb geworden, aber ich hoffe, sie werden auch in der großen Leserwelt und nicht zum wenigsten unter den Schauspielern gute, wohlwollende Freunde finden, denn sie bieten ausnahmslos dankbare Aufgaben."
Erstausgabe
Die Wildente erschien am 11. November 1884 im Verlag Gyldendalske Boghandel (F. Hegel & Sohn) in Kopenhagen und Kristiania in einer Auflage von 8 000 Exemplaren.
Sowohl die Kritiker als auch die Leser standen dem Buch etwas ratlos gegenüber. Henrik Jægers Bemerkung ist bezeichnend:
"Das Publikum weiß weder ein noch aus, und von den vorgebrachten Kritiken wird es auch nicht klüger, da die eine Zeitung das eine und die andere etwas anderes schreibt."
Ibsen hatte das weitgehend vorhergesehen. In dem oben zitierten Brief an Hegel vom 2. September 1884 schreibt er:
"Dieses neue Stück nimmt innerhalb meiner dramatischen Produktion im gewissen Sinne einen Platz für sich ein, denn der Aufbau weicht in mancher Hinsicht von meinen früheren ab. Hierzu will ich mich jedoch nicht weiter äußern. Die Kritiker werden hoffentlich jene Punkte finden. Jedenfalls werden sie etliches finden, worüber man sich streiten und das man [anders] auslegen kann."
Man sagt, dass 'Die Wildente' die symbolistische Phase von Ibsens Dichtung einleitet. Es war wohl hauptsächlich der Symbolismus in dem Stück, der fremd und verwirrend auf die Leser wirkte.
Das Buch verkaufte sich dennoch ausgezeichnet. Eine zweite Auflage von 2000 Exemplaren erschien bereits am 1. Dezember 1884.
Uraufführung
Die Uraufführung des Stückes fand am 9. Januar 1885 am Theater Den Nationale Scene in Bergen statt. Die Aufführung wurde ein Erfolg, was zu einem großen Teil Gunnar Heibergs Regie zu verdanken war.
Zwei Tage später hatte das Stück seine Premiere am Christiania Theater. Im Laufe des Monats Januar wurde es auch am Svenska Teatern in Helsinki (am 16. Januar), in Aalborg (am 25. Januar) und am Dramaten in Stockholm (am 30. Januar) gespielt.
Geschrieben von: Jens-Morten Hanssen/ibsen.net