Kaiser und Galiläer
Entstehung
Das Doppeldrama 'Kaiser und Galiläer' ist von allen Werken Ibsens das mit der längsten Entstehungsgeschichte. Die Arbeit daran erstreckte sich über neun Jahre, von 1864 bis 1873.
Den Sommer 1864 - Ibsen war inzwischen nach Italien gezogen - verbrachte er in dem kleinen Gebirgsdorf Genzano. Dort verbrachte er einen Großteil seiner Zeit mit Lorentz Dietrichson. In seinem Erinnerungsbuch 'Svundne Tider' ('Verschwundene Zeiten'), schreibt Dietrichson:
"... und ich erinnere besonders, daß ich dort eines Tages Ammianus Marcellinus` Beschreibung der Feldzüge Julians des Abtrünnigen las, und daß Ibsen lebhaft daran interessiert war. Wir sprachen über Julian, und ich weiß, daß der Gedanke, diesen Stoff dichterisch zu behandeln, sich an diesem Tag ernsthaft in ihm festsetzte. Jedenfalls sagte er am Ende des Gesprächs, er hoffe, niemand werde ihm mit der Behandlung dieses Stoffes zuvorkommen."
Dem ursprünglichen Plan zufolge sollte das Stück bis zum Sommer 1865 fertig werden. Wie wir jedoch wissen, begann Ibsen gleichzeitig an 'Brand' zu arbeiten, dadurch wurde der Julian-Stoff zunächst verdrängt. Danach folgten 'Peer Gynt' (1867) und 'Der Bund der Jugend' (1869). Als das letztgenannte Stück fertig geschrieben war, hielt Ibsen sich erst zwei Monate in Stockholm auf, und trat danach seine lange Ägyptenreise an. Im Frühjahr und im Sommer 1870 war er dann mit der Neuausgabe von Die Kronprätendenten beschäftigt.
Den Plan, den Julian-Stoff zu bearbeiten, gab Ibsen jedoch in all diesen Jahren nie auf, er verschob ihn nur immer wieder. Zum Jahreswechsel 1870/71 begann er dann an einem ersten Entwurf zu arbeiten, wurde aber noch einmal von einer anderen Ausgabe abgelenkt, diesmal handelte es sich um die Gedichtsammlung 'Gedichte', die am 3. Mai 1871 erschien. Als er den Entwurf vom Jahreswechsel wieder hervornahm, entschloss er sich, ihn zu verwerfen, und am 24. Juli 1871 begann er, an einem neuen Entwurf zu arbeiten.
Zu diesem Zeitpunkt plante Ibsen ein aus drei Abschnitten bestehendes Werk, deren erster den Titel 'Julian und die Weisheitsfreunde' tragen sollte. Dieser Abschnitt lag gegen Ende des Jahres 1971 in Reinschrift vor. Der zweite Abschnitt mit dem Titel 'Julians Abfall' wurde im Frühjahr 1872 geschrieben und im Sommer in Reinschrift gebracht. Zu Beginn des Herbstes begann er mit dem dritten Abschnitt 'Julian auf dem Kaiserthron', beschloss aber während er daran arbeitete, die beiden ersten Abschnitte zusammenzufassen. Daraus wurde des endgültigen Werkes erster Teil, 'Cäsars Abfall', der aus fünf Akten besteht. Der dritte Abschnitt, 'Kaiser Julian', der nun Teil zwei wurde und ebenfalls aus fünf Akten besteht, wurde im Zeitraum 21. November 1872 bis zum 13. Februar 1873 geschrieben. Im Frühjahr lag das Stück in Reinschrift vor und wurde in Druck gegeben.
Erstausgabe
'Kaiser und Galiläer' lag am 16. Oktober 1873 im Buchhandel vor. Die Erstauflage hatte eine Höhe von 4000 Exemplaren und war rasch vergriffen, zum Teil, weil Vorbestellungen vorlagen. Am 16. Dezember desselben Jahres erschien eine neue Auflage in Höhe von 2000 Exemplaren.
Ibsen hat bei verschiedenen Anlässen 'Kaiser und Galiläer' als sein Hauptwerk bezeichnet. Unter den meisten Kritikern ist diese Wertung milde gesagt umstritten. Das Buch erhielt zwar größtenteils gute Kritiken, wird aber im Nachhinein selten oder nie als Ibsens bestes Werk gesehen.
Uraufführung
Genau wie 'Brand' und 'Peer Gynt' war auch 'Kaiser und Galiläer' nicht für die Bühne geschrieben worden. Dieses Mammutwerk, ein Drama in zehn Akten, dessen Handlung im Römischen Reich während des 4. Jahrhunderts spielt, war kaum dazu angetan, Interesse bei Theaterchefs oder bei dem Theaterpublikum zu wecken.
Verschiedene Bearbeitungen des Stückes haben aber dennoch ihren Weg auf die Bühne gefunden. Seine Uraufführung hatte es am 5. September 1896 am Stadttheater Leipzig in Deutschland. Die aufgeführte Version bestand aus sechs Akten; die Bearbeitung hatte Leopold Adler vorgenommen. Die Aufführung dauerte vier Stunden und soll - wenn die Kritiker auch viele Schwächen bemängelten - einen gewaltigen Eindruck hinterlassen haben.
Am 20. März 1903 hatte das Stück seine Erstaufführung in Norwegen, und zwar am Nationaltheater in Kristiania. Hier wurde nur der erste Teil, 'Cäsars Abfall', gespielt.
Geschrieben von: Jens-Morten Hanssen/ibsen.net