Hedda Gabler
Entstehung
'Hedda Gabler' war das letzte Stück, das entstand, während Ibsen im Ausland lebte. Es wurde 1890 in München geschrieben.
Es ist unsicher, wann Ibsen die Idee zu 'Hedda Gabler' hatte. Im Sommer 1889 war er in Gossensaß - es sollte sein letzter Aufenthalt in dem kleinen Alpendorf in Tirol werden. Hier machte er die Bekanntschaft der 18-jährigen Emilie Bardach aus Wien. Zwischen ihr und Ibsen entwickelte sich eine regelrechte Liebesbeziehung über den großen Altersunterschied hinweg. Nachdem Bardach nach Wien und Ibsen nach München zurückgekehrt war, schrieben sie einander eine Reihe von Briefen. In einem dieser Briefe, dem vom 7. Oktober 1889, schreibt Ibsen:
"Eine neue Dichtung fängt an in mir zu dämmeren. Ich will sie diesen Winter vollführen und versuchen, die heitere Sommerstimmung auf dieselbe zu übertragen. Aber in Schwermuth wird sie enden. Das fühle ich. - Es ist so meine Art."
Emilie Bardach
Ob Ibsen hier über 'Hedda Gabler' spricht, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Es könnte sich auch um ein Stück handeln, das nie vollendet wurde. In einem neuen Brief an Emilie Bardach, vom 19. November 1889, schreibt er:
"Ich bin gegenwärtig mit Vorarbeiten zu der neuen Dichtung recht eifrig beschäftigt. Sitze fast den ganzen Tag an meinem Schreibtisch. Gehe nur Abends ein Bischen aus. Träume und erinnere und dichte weiter."
Klare Anzeichen, dass hier von 'Hedda Gabler' die Rede ist, finden sich jedoch auch in diesem Brief nicht.
Es sind relativ viele Aufzeichnungen, Planskizzen und Entwürfe zu 'Hedda Gabler' erhalten, aber ein Großteil trägt keine Datumsangaben. Der erste Entwurf trägt den Titel "Hedda". Der erste Akt trägt keine Datumsangaben; der zweite Akt wurde dagegen am 13. August 1890 begonnen. Irgendwann legte Ibsen diesen Entwurf beiseite und begann am 6. September, an einem neuen Entwurf zum zweiten Akt zu arbeiten. Die übrigen Teile dieses Entwurfs tragen die folgenden Datumsangaben:
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Angefangen |
Beendet |
2. Akt |
6. September |
15. Sptember |
3. Akt |
16. September |
28. Sptember |
4. Akt |
30. Sptember |
7. Otober |
Aus den weiteren Datumsangaben in diesem Manuskript lässt sich ablesen, dass der erste Akt am 22. Oktober in Reinschrift vorlag. Am Tag darauf wurde die Reinschrift des zweiten Aktes begonnen, während die Reinschrift des vierten Aktes am 11. November begonnen wurde. Aus einem Brief von Ibsen an August Larsen vom Verlag Gyldendal in Kopenhagen geht hervor, dass das Stück am 16 . November 1890 in Reinschrift vorlag.
Erst ziemlich spät im Schreibprozess änderte Ibsen den Titel von "Hedda" in "Hedda Gabler". In einem Brief vom 4. Dezember 1890 an Moritz Prozor, der das Stück ins Französische übersetzte, erklärte Ibsen, warum er sich für "Gabler" anstatt für "Tesman" entschieden hatte:
"Ich habe damit andeuten wollen, daß sie als Persönlichkeit mehr die Tochter ihres Vaters ist als die Frau ihres Mannes."
Weiter heißt es in dem Brief:
"Es sind in diesem Stück eigentlich nicht sogenannte Probleme, die ich habe behandeln wollen. Die Hauptsache war mir, auf der Grundlage gewisser gültiger Gesellschaftsverhältnisse und Anschauungen Menschen zu schildern, Menschenstimmungen und Menschenschicksale."
Erstausgabe
Die Gyldendal-Ausgabe
'Hedda Gabler' erschien am 16. Dezember 1890 im Verlag Gyldendalske Boghandel (F. Hegel & Sohn) in Kopenhagen und Kristiania in einer Auflage von 10 000 Exemplaren.
Das Buch wurde fast ausschließlich negativ aufgenommen. Die Kritiker sahen nur ein psychologisches Portrait einer " rätselhaften", "unverständlichen" Frauengestalt, keine Tendenz zu gesellschaftlicher Reform, keine Lehre und auch keine augenfällige Symbolik. Sie versuchten einander im Verurteilen der Titelfigur zu übertreffen. Alfred Sinding-Larsen schrieb in der norwegischen Zeitung Morgenbladet:
"Alles in allem kann Hedda Gabler kaum etwas anderes als eine grässliche Ausgeburt der Phantasie genannt werden, ein vom Dichter selbst hervorgebrachtes Ungeheuer in Frauengestalt ohne entsprechendes Vorbild in der realen Welt."
Die Heinemann-Ausgabe
Der englische Verleger William Heinemann war jedoch dem Verlag Gyldendal zuvorgekommen. Am 11. Dezember 1890 erschien 'Hedda Gabler' in London - in der Originalsprache - in einer Auflage von nur 12 Exemplaren. So verfuhr Heinemann auch bei allen folgenden Schauspielen von Ibsen.
Hintergrund hierfür war, wie Heinemann bemerkt hatte, dass Ibsen sich in England wachsender Beliebtheit erfreute. Ihm war dort endlich der Durchbruch gelungen, fast zwei Jahrzehnte nachdem der Literaturkritiker Edmund Gosse ihn eingeführt hatte. Eine Aufführung von 'Ein Puppenheim' am "Novelty Theatre" in Kingsway bedeutete den Durchbruch auf der Theaterbühne. Der Ire Charles Charrington führte Regie, während Nora von Janet Achurch gespielt wurde. Die Aufführung hatte am 7. Juni 1889 Premiere und gewann enorme Bedeutung für Ibsens Renommee in England. An der Verlagsfront arbeitete William Archer an seiner englischen Ausgabe von Ibsens gesammelten Schauspielen. Der erste Band erschien im November 1890.
Heinemann war daran interessiert, sich das Copyright an der Ausgabe von 'Hedda Gabler' in England zu sichern. Er bot Ibsen 150 Pfund für diese Rechte an, und sein Angebot wurde angenommen. Um sein Copyright geltend zu machen, gab Heinemann das Stück zuerst in der Originalsprache heraus und dann - am 20. Januar 1891 - in Edmund Gosses englischer Übersetzung.
Uraufführung
'Hedda Gabler' wurde am 31. Januar 1891 am Residenztheater in München uraufgeführt. Ibsen war bei der Premiere anwesend. Er soll mit der Titelrolleninhaberin, Clara Heese unzufrieden gewesen sein, da er der Ansicht war, ihr Spiel sei zu deklamatorisch. Die Kritiker waren auch zurückhaltend in ihren Urteilen. Das Publikum war geteilter Ansicht; es gab sowohl Applaus als auch Pfiffe während der Vorstellung. Die applaudierenden Zuschauer sollen in der Mehrzahl gewesen sein, aber das war möglicherweise eher Ibsens Anwesenheit als der Vorstellung zu verdanken.
Das Stück wurde im Laufe kurzer Zeit an einer Reihe von Theatern aufgeführt:
- Finnisches Nationaltheater in Helsinki (4. Februar)
- Svenska Teatern in Helsinki (6. Februar)
- Lessing-Theater in Berlin (10. Februar)
- Svenska Teatern in Stockholm (19. Februar)
- Det Kongelige Teater in Kopenhagen (25. Februar)
- Christiania Theater in Christiania (26. Februar)
- August Lindbergs Wandertheatertruppe in Göteborg (30. März)
- Vaudeville Theatre in London (20. April)
Geschrieben von: Jens-Morten Hanssen/ibsen.net