Ibsen

Fakten

Nordische Heerfahrt

Anmerkung zum Titel der deutschen Übersetzung: Der norwegische Titel dieses Stückes, 'Hærmændene på Helgeland', wird in der deutschen Literatur teilweise auch mit 'Die Helden auf Helgeland' übersetzt. Ibsen selbst sprach sich jedoch noch am 9. September 1898 in einem Brief an Julius Elias ausdrücklich für den Titel 'Nordische Heerfahrt' aus.

Entstehung
Die ersten Ideen zu 'Nordische Heerfahrt' brachte Ibsen in der zweiten Hälfte des Jahres 1854 zu Papier, nachdem er 'Frau Inger auf Östrot' beendet hatte.

Im Vorwort zur zweiten Auflage von 'Das Fest auf Solhaug', geschrieben im April 1883, erläutert Ibsen die Ursprünge von 'Nordische Heerfahrt':

"Dagegen fand ich in reichem Maße in den überlieferten isländischen Sagas, was ich für die Stimmungen, Vorstellungen und Gedanken brauchte, die mich damals bewegten oder mir doch mehr oder weniger klar vorschwebten. Diese altnordischen literarischen Beiträge zu den Lebensbeschreibungen unserer Sagenzeit hatte ich bis dahin nicht gekannt, sie kaum nennen gehört. Da fiel mir zufällig N. M. Petersens hinsichtlich der Sprachmelodie vortreffliche Übersetzung in die Hände. Aus diesen Geschlechterchroniken mit den wechselnden Verhältnissen und Auftritten zwischen Mann und Weib, zwischen Weib und Weib, überhaupt unter Menschen, wurde mir ein persönlicher, voller, lebendiger Lebensinhalt klar. Und aus diesem meinem Leben zusammen mit all den verschlossenen, einfachen, persönlichen Frauen und Männern entstand nebelhaft in meinen Gedanken der erste rohe Entwurf zu [dem Schauspiel] 'Nordische Heerfahrt'."

Wie wir wissen, schrieb Ibsen 'Das Fest auf Solhaug' und danach 'Olaf Liljekrans', bevor er 'Nordische Heerfahrt' in Angriff nahm und begann, den Gedanken auszuarbeiten. Dies muss einige Zeit nach der Aufführung von 'Olaf Liljekrans' am Det norske Theater in Bergen im Januar 1857 geschehen sein. Das Stück wurde jedoch im Herbst des selben Jahres in Kristiania fertiggestellt.

Mitte Juli 1857 reiste Ibsen nach Kristiania. Zweck dieser Reise war, ein mögliches Angebot einer Stellung als "dramatischer Leiter" am Kristiania Norske Theater, näher zu prüfen. Am 23. Juli schickte Ibsen einen Brief an den Verwaltungsrat des Det norske Theater in Bergen, in dem er bestätigte, dass er dieses Angebot erhalten habe und darum bat, von seinem Vertrag mit dem Theater in Bergen entbunden zu werden. Dagegen wurden keine Einwände erhoben, und am 3. September 1857 trat Ibsen seine neue Stellung am Kristiania Norske Theater an.

Ungefähr zur selben Zeit wurde 'Nordische Heerfahrt' fertiggestellt. Ibsen reichte das Stück am Christiania Theater ein, wohlgemerkt vorläufig nicht an seinem eigenen norwegischen Theater. Er war der Meinung, das Stück sei zu anspruchsvoll für das Ensemble des Kristiania Norske Theaters.

Erstausgabe
'Nordische Heerfahrt' erschien in Heftform als Beilage zu der literarischen Wochenzeitschrift Illustreret Nyhedsblad ("Illustriertes Nachrichtenblatt") am 25. April 1858 in Kristiania. Die Auflage lag bei 2200 Exemplaren. Die Anzahl der Abonnenten lag zu diesem Zeitpunkt bei ungefähr 1700. Daher hatte der Eigentümer des Blattes, H. J. Jensen, einen Restposten übrig, den er den Buchgeschäften zum Verkauf anbot.

Das Stück erhielt gemischte jedoch wohlwollende Kritiken.

Zweite Auflage
1871 kündigte H. J. Jensen eine zweite Auflage von 'Nordische Heerfahrt' an. Da das Stück in seinem Blatt erschienen war, nahm er für sich das Recht in Anspruch, es erneut herauszugeben. Ibsen tobte, als er davon erfuhr und schickte Jensen am 17. September 1871 folgende Breitseite von einem Brief aus Dresden:

"Mit dem größten Erstaunen erhielt ich Ihren frechen und unverschämten Brief, aus dem ich ersehe, daß Sie beabsichtigen, eine neue Auflage meiner dramatischen Arbeiten 'Frau Inger auf Östrot' und 'Nordische Heerfahrt' herauszugeben. Selbstverständlich protestiere ich ganz energisch gegen Ihr geplantes Attentat auf meinen Geldbeutel. Sie haben nicht das geringste Eigentumsrecht an den genannten Arbeiten, die ich seinerzeit nur zur Verwendung im Illustrierten Nachrichtenblatt verkaufte. Außerdem teile ich Ihnen mit, daß beide Bücher in völlig umgearbeiteter Fassung im Verlag Gyldendalsche Buchhandlung [in Kopenhagen] erscheinen und daß das Publikum unverzüglich davon informiert werden wird, so daß Ihr geplanter Schwindel Ihnen nichts als Schande und Scham einbringen wird. Im übrigen habe ich heute die Angelegenheit einem Juristen übergeben, und sollten Sie es wagen, Ihren Vorsatz auszuführen, so werde ich Ihnen durch die Presse und vor Gericht zeigen, was derartige Bubenstreiche nach sich ziehen."

Jensen wähnte sich jedoch im Recht und gab das Buch heraus. Der Streit endete vor Gericht und wurde zu Ibsens Gunsten entschieden. Jensen wurde dazu verurteilt, eine Entschädigung zu zahlen sowie die Verfahrenskosten zu tragen, und die Ausgabe wurde konfisziert und vernichtet.

Die "rechtmäßige" zweite Auflage erschien 1873 im Verlag Gyldendalske Boghandel (F. Hegel) in Kopenhagen. Ibsen nahm einige Änderungen in dem Stück vor, diese waren aber überwiegend nur orthographischer Art.

Uraufführung
'Nordische Heerfahrt' wurde am 24. November 1858 am Kristiania Norske Theater, Ibsens eigenem Theater, uraufgeführt.

Wie oben erwähnt hatte Ibsen das Stück zunächst am Christiania Theater eingereicht. Es wurde dort auch angenommen, und die Aufführung war für den März 1858 geplant. Diese Aufführung kam jedoch nicht zustande. Ibsen wurde von der Theaterleitung mitgeteilt, die wirtschaftliche Lage des Theaters lasse es nicht zu, Honorare für Originalarbeiten zu zahlen, und das Stück würde daher vorläufig nicht aufgeführt.

Diese Argumentation provozierte Ibsen. Er war der Ansicht, dass dies nur ein Vorwand war, um die Pläne für eine Aufführung ein für alle Mal zu begraben, und er meldete sich daher am 10. März 1858 in der Zeitung Aftenbladet mit dem Artikel "Ein Zug der Leitung des Christiania danske Theaters" zu Wort. Darin beschuldigte er das Theater, die Interessen der norwegischen dramatischen Literatur nicht ausreichend wahrzunehmen. Dies löste eine hitzige Debatte in der Presse aus, in der schließlich auch Paul Botten-Hansen und Bjørnstjerne Bjørnson das Wort ergriffen.

Wie erwähnt, war Ibsen der Ansicht, dass seinem eigenen norwegischen Theater die Kompetenz fehle, eine Aufführung von 'Nordische Heerfahrt' durchzuführen. Aufgebracht über die Schwäche des Christiania Theaters beschloss er jedoch, das Heft selbst in die Hand zu nehmen.

Die Debatte in der Zeitung trug zu einem erhöhten Publikumsinteresse bei, der Saal war zum Bersten gefüllt. Das Stück wurde vom Publikum wie von den Kritikern gut aufgenommen, wurde aber dennoch nur ein paar Mal aufgeführt.

Diesen Artikel einem Freund senden  
Print version
Norwegen - die offizielle Seite in der Schweiz / / Contact information
© 2006 Ibsen worldwide