Das Hünengrab
Entstehung
Im April 1850 reiste Ibsen von Grimstad nach Kristiania, um als Voraussetzung für einen späteren Besuch der Universität die Abiturprüfung abzulegen. Er wurde in Henrik Heltbergs 'Studentenfabrik' aufgenommen. 'Das Hünengrab' soll Pfingsten 1850 geschrieben worden sein, als Ibsen von der Arbeit in der Schule frei hatte.
Die Idee zu dem Stück kam Ibsen jedoch in Grimstad, und der erste Entwurf entstand im Winter 1849/50. Der Titel des Stückes lautete da noch 'Die Normannen'. Ibsen arbeitete zu dieser Zeit an einer Reihe literarischer Projekte - Dramen, Gedichte und Prosa. In einem Brief vom 5. Januar 1850 an seinen Freund Ole C. Schulerud erwähnt Ibsen diese Projekte ohne eine bestimmte Reihenfolge. Über den Text, der später Das Hünengrab wurde, schreibt er:
"Der kleine Einakter 'Die Normannen' ist umgearbeitet, oder richtiger, soll umgearbeitet werden, womit ich mich zur Zeit beschäftige. Er wird in seiner neuen Gestalt als Einkleidung für eine erweiterte Idee dessen erscheinen, wozu er ursprünglich bestimmt war."
Uraufführung
Unmittelbar nachdem 'Das Hünengrab' fertiggestellt worden war, wurde das Stück - unter dem Pseudonym Brynjolf Bjarme - beim Christiania Theater eingereicht. Im Gegensatz zu 'Catilina' wurde 'Das Hünengrab' sofort angenommen. Ibsen hatte, was bei 'Catilina' nicht der Fall gewesen war, dieses Mal den Zeitgeschmack getroffen, die nationalromantische Strömung.
Die Uraufführung - die erste Aufführung eines Stückes von Ibsen überhaupt - fand am 26. September 1850 im Christiania Theater statt. Ibsen war selbst anwesend. Er soll ungeheuer nervös gewesen sein und sich im dunkelsten Winkel des Theaters verborgen haben. Die Aufführung hatte großes Interesse geweckt; für die Premiere waren 557 Eintrittskarten verkauft worden. Ein neues Drama eines norwegischen Schriftstellers war zu dieser Zeit allein schon etwas Besonderes. Das Stück wurde von den Rezensenten und vom Publikum unterschiedlich aufgenommen. Während die Theaterkritiker in ihrem Urteil nicht gerade gnädig waren, muss die Inszenierung dem Publikum recht gut gefallen haben, denn sie wurde am 29. September und am 24. Oktober nochmals aufgeführt. Drei Aufführungen eines Stückes waren in der damaligen Zeit keine besonders schlechte Bilanz. Insgesamt waren zu den drei Vorstellungen 1171 Eintrittskarten verkauft worden.
Das Stück war mit dänischen Schauspielern besetzt, mit einer Ausnahme: Laura Svendsen (die spätere Laura Gundersen) spielte die Rolle der Blanka. Regisseur war Christian Jørgensen, der auch den Bernhard spielte.
Ausgaben
'Das Hünengrab' in der Version von 1850 wurde zu Ibsens Lebzeiten nicht veröffentlicht. Ole Schulerud unterschrieb zwar einen Vertrag über den Kauf und Druck des Manuskriptes mit dem Buchhändler P. F. Steensballe in Kristiania. Schulerud erhielt sogar einen Vorschuss von zehn Speziestalern. Aber es kam nie zur Veröffentlichung.
In der Fassung von 1850 erschien das Stück zum ersten Mal in Scandinavian Studies and Notes, vol. 4, 1917. Aber dieser Veröffentlichung liegt nicht Ibsens handschriftliches Manuskript zu Grunde, das nicht erhalten ist, sondern ein Souffleurbuch des Christiania Theaters.
Im Herbst 1853 arbeitete Ibsen 'Das Hünengrab' erneut um. Er war 1851 nach Bergen gezogen und war am Det norske Theater als Theaterdichter und Regisseur tätig. Diese neue Version unterscheidet sich radikal von der ursprünglichen Fassung. Fast nur der Titel und die Handlung in groben Zügen sind unverändert geblieben. Unter anderem wurde der Ort der Handlung von der 'Küste der Normandie' auf 'eine kleine Insel bei Sizilien' verlegt, während Bernhard, Blankas Pflegevater, den Namen gewechselt hat und nun Roderik heißt.
Diese Version ließ Ibsen am Det norske Theater in Bergen aufführen, die Premiere war am 2. Januar 1854. Er selbst führte Regie. Kurze Zeit später, im Zeitraum vom 29. Januar bis zum 8. Februar 1854, wurde diese Version im Feuilleton der Zeitung Bergenske Blade über vier Ausgaben verteilt veröffentlicht.
Geschrieben von: Jens-Morten Hanssen/ibsen.net