Johannisnacht
Entstehung
Im Oktober 1851 wurde Ibsen am Det norske Theater in Bergen angestellt, um "dem Theater als dramatischer Schriftsteller zu assistieren". Ole Bull, der Initiator und Gründer des Theaters, hatte ihm die Stellung angeboten.
Zu den Ibsen übertragenen Pflichten gehörte es, Stücke für den Gründungstag des Theaters, den 2. Januar, zu liefern. 'Johannisnacht' sollte das erste Stück werden, das er aus diesem Anlass schrieb.
'Johannisnacht' wurde im Laufe des Frühjahrs und Sommers 1852 geschrieben. Die Anfänge entstanden in Bergen, aber es wurde während Ibsens Auslandsaufenthalt im Sommer 1852, wahrscheinlich in Dresden, fertig gestellt.
Von April bis August dieses Jahres befand sich Ibsen auf Studienreise in Kopenhagen und Dresden. Die Theaterleitung wollte gern den Kenntnisstand ihrer Mitarbeiter erhöhen und vergab daher an Ibsen und an das Schauspielerehepaar Johannes und Louise Brun Reisestipendien, so dass sie diese beiden Städte besuchen und das Theaterleben dort studieren konnten.
Der Reise kam große Bedeutung für Ibsens dichterische Entwicklung zu. Drei konkrete Impulse, die die Arbeit an Johannisnacht beeinflussten, können genannt werden: Der erste war die Begegnung mit Johan Ludvig Heiberg, dem Direktor am Det Kongelige Teater in Kopenhagen. Er gab Ibsen zum einen gratis Zutritt zu den Vorstellungen des Theaters und ließ ihn alle Einrichtungen des Theaters besichtigen. Zum anderen war Heiberg selbst auch ein bedeutender Dramatiker. Besonders seine Komödie 'Siebenschläfertag' inspirierte Ibsen zu 'Johannisnacht'.
Der zweite war Hermann Hettners Buch 'Das moderne Drama'. Ibsen fand und las das neuerschienene Buch in Dresden. In einem Kapitel behandelt Hettner die romantische Märchenkomödie und 'Johannisnacht' ist ein Versuch in gerade diesem Genre.
Den dritten erwähnenswerten Impuls gab die Begegnung mit William Shakespeares Werk. Ibsen sah Shakespeare-Aufführungen in Kopenhagen und in Dresden. In Dresden sah er eine Aufführung von 'Ein Mittsommernachtstraum'. Es ist unschwer zu sehen, dass das Stück eine zentrale Quelle der Inspiration für Ibsens Arbeit an 'Johannisnacht' war.
Uraufführung
'Johannisnacht' wurde am 2. Januar 1853 am Det norske Theater in Bergen uraufgeführt. Dieses Stück war das erste, das Ibsen zu einem Gründungstag des Theaters lieferte.
Die Aufführung wurde kein Erfolg. Die Premiere fand vor ausverkauftem Haus statt, aber das Publikum buhte und pfiff. Das Stück wurde nur zwei Mal gezeigt und während der zweiten Vorstellung blieben viele Sitzreihen leer.
Erstausgabe
'Johannisnacht' erschien zu Ibsens Lebzeiten nicht in gedruckter Form. Erst 1909 wurde es in den ersten Band der 'Nachgelassenen Schriften' (Efterladte skrifter) aufgenommen, Herausgeber waren Halvdan Koht und Julius Elias.
Letzterer, ein deutscher Literaturhistoriker, hatte versucht von Ibsen die Erlaubnis zu erhalten, das Stück in die erste deutsche Ausgabe von Ibsens Gesammelten Werken aufzunehmen (der erste Band erschien 1898), aber Ibsen hatte sich dem widersetzt. In einem Brief an Julius Elias vom 19. September 1897 schrieb er irritiert:
"Zum letzten Mal muß ich hier kategorisch erklären, daß ich das Schauspiel 'Johannisnacht' in die Sammlung meiner Arbeiten weder aufnehmen lassen will noch kann. Das Stück ist ein miserables Produkt, das eigentlich nicht von meiner Hand rührt. Es basiert auf einem losen, pfuscherhaften Entwurf, den ich seinerzeit von einem Studienfreund erhielt, bearbeitete und mit meinem Namen versah, und zu dem ich mich aber jetzt unmöglich noch bekennen kann. Ich muß Sie und Dr. Schlenther deshalb inständig bitten, nicht darauf zu bestehen, dieses Machwerk zu veröffentlichen. Ohne überhaupt etwas über m eine übrige Produktion aussagen zu können, steht es gänzlich außerhalb und ohne jeden Zusammenhang damit. Ich habe es daher bereit seit vielen Jahren als ungeschrieben und nicht existent betrachtet."
Der Studienfreund, den Ibsen hier erwähnt, den er aber nicht mit Namen nennt, ist Theodor Christian Bernhoft. Er war 1850-51 Ibsens Studienfreund in Kristiania. Bernhoft soll Ibsen die Idee zu Johannisnacht geliefert haben. Das endgültige Manuskript des Stückes soll Ibsen jedoch eigenhändig verfasst haben. In dem Brief an Julius Elias schreibt Ibsen sich also - selbstverständlich ganz bewusst - einen geringeren "Verdienst" an dem Stück zu als er ihm zukommt.
Geschrieben von: Jens-Morten Hanssen/ibsen.net