Die Westbalkanländer erleben noch immer eine Zeit bedeutender wirtschaftlicher, politischer und sozialer Restrukturierungen und Reformprozesse. Auch wenn in allen Ländern Reformprozesse eingeleitet wurden, so sind diese doch Gegenstand politischer Kontroversen, und es gibt immer noch starke Gegenkräfte, die sich gegen den euroatlantischen Integrationsprozess einsetzen.
Der Gipfel von Thessaloniki im Juni 2004 hat die Bereitschaft der EU, ihre Bemühungen um eine engere Einbeziehung der Westbalkanländer in den europäischen Integrationsprozess zu intensivieren, untermauert. Den Westbalkanländern wurde so eine Perspektive für eine engere Zusammenarbeit mit der EU und eine mögliche Mitgliedschaft gegeben. Der Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess der EU wurde in bezug auf die einzelnen Ländern in der Region wiederbelebt, während die EU gleichzeitig in wachsendem Maße Verantwortung für internationale Operationen übernimmt, u.a. durch die Polizeimission EUPM in Bosnien-Herzegowina sowie die EU geführte Militärmission ALTHEA als Nachfolgemission des SFOR-Einsatzes in Bosnien-Herzegowina. Somit sind die Schwierigkeiten auf dem westlichen Balkan eine treibende Kraft für die weitere Entwicklung der gemeinsamen EU Außen- und Sicherheitspolitik. Norwegen sieht es als wichtig an, zur euro-atlantischen Integration und Zusammenarbeit beizutragen, um so Stabilität und Demokratisierung in den Ländern der Region und der Region insgesamt zu fördern. Dem Aufbau von Institutionen und der konkreten Reformarbeit, in Verbindung mit der Durchführung des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses, kommt erhebliche Bedeutung zu.
Es besteht weiterhin Bedarf an umfassenden Minenräummaßnahmen, sowohl in Bosnien-Herzegowina als auch in Kroatien. Die Minenkonvention sieht die Räumung vor, und sie trägt zu wirtschaftlicher Entwicklung und der Rückkehr von Flüchtlingen in ihre Heimat bei.
Die Zusammenarbeit mit dem Justizministerium bei der Sekundierung des juristischen Fachpersonals im Rahmen des Projektes „Jungbrunnen“ (Styrkebrønnen) wird weitergeführt. Es wird außerdem Wert darauf gelegt, Maßnahmen zu unterstützen, die zu einer engeren Zusammenarbeit des Landes mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) führen, sowie zu einer Übertragung von ICTY-Verfahren an nationale Gerichte. Darüber hinaus setzt man sich für ein weiterhin starkes Engagement im Bereich der Verteidigungsreform ein. Dazu gehören eine verstärkte zivile Kontrolle und die Steuerung durch militärische und nachrichtendienstliche Kräfte, sowie Demobilisierungsmaßnahmen.
Besonderes Gewicht kommt auch Maßnahmen zu, die sich auf Kinder, junge Menschen und Frauen richten – darunter fällt auch die Förderung von Menschenrechtsarbeit, sowohl durch die Stärkung von lokalen Nicht-Regierungs-Organisationen als auch von öffentlichen Organen, beispielweise von Ombudsmanneinrichtungen.
Norwegen stellte im Jahr 2005 insgesamt NOK 745 Millionen (ca. EUR 93 Millionen) für Maßnahmen auf dem westlichen Balkan zur Verfügung und gewährt im Jahr 2006 die gleiche Unterstützung. Norwegens Hilfe zielt in erster Linie auf den Friedensprozess und den kritischen Bereich von Reform- und Entwicklungsprozessen in der Region ab und konzentriert sich verstärkt auf Demokratie schaffende Maßnahmen, langfristigen Kapazitäts- und Institutionsaufbau und die Entwicklung des privaten Bereichs. Norwegens humanitäre Bemühungen zielen hauptsächlich auf Flüchtlinge, Vertriebene und gefährdete Gruppen (Kinder, Alte und Schwache) ab und werden auf die am stärksten betroffenen Gebiete gerichtet, wann immer dies erforderlich ist. Es werden alle Anstrengungen unternommen, die Maßnahmen in Hinblick auf Dauerhaftigkeit zu gestalten.
Ein erheblicher Teil der Unterstützung der Länder auf dem westlichen Balkan richtet sich auf die Reform der Polizei sowie der Justiz- und Innenpolitik. Diese Maßnahmen beinhalten Polizeiausbildung, Beratung und Hilfe bei den Reformprozessen. Vorrang hat der Kampf gegen die internationale organisierte Kriminalität mit besonderem Fokus auf Korruption sowie Frauen- und Kinderhandel. Im Bildungssektor wurden auf bilateraler Ebene Kooperationen mit Bosnien-Herzegowina und Serbien und Montenegro vereinbart und auf regionaler Ebene durch den Norwegischen Hochschulrat und den Norwegischen Forschungsrat. Die Vermittlung von Fachwissen in bezug auf Land- und Forstwirtschaft sowie Umweltschutz wird gefördert. Besondere Beachtung finden die Maßnahmen zur Verfestigung der Friedensprozesse, wie des Dayton-Prozesses in Bosnien-Herzegowina, des Ohrid-Prozesses in Mazedonien und des Covic-Prozesses im Süden Serbiens sowie zur Förderung des interethnischen Dialogs und Versöhnungsprozesses. Maßnahmen, die auf Kinder, junge Menschen und Frauen abzielen, haben ebenfalls Vorrang.
Die norwegischen Unterstützungsprojekte auf dem westlichen Balkan werden in erster Linie von norwegischen Nicht-Regierungs-Organisationen und Regierungseinrichtungen sowie über die UN und andere multilaterale Einrichtungen geführt. Der Stabilitätspakt für Südost-Europa ist ebenso ein wichtiger Rahmen für die Unterstützungsprojekte.
Norwegisches Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten